Geschichte des Klostergeländes, der Bauwerke des Klosterensembles und der Bürgerstiftung Miesbach
Das Gelände, das sich zwischen dem ehemaligen Pflegschloss - dem heutigen Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung Miesbach - und den großen Schulen an der heutigen Münchner Straße erstreckt gehörte ursprünglich zu den herrschaftlichen Gütern um die reichsgräfliche Residenz Miesbach. Eine frühe Legende spielt bereits auf die kultivierte Natur ab, die hier bis heute das Zentrum Miesbachs belebt: Auf einem bäuerliche Anwesen, eventuell der alten Meierei der ursprünglichen Burg Miesbach, lebten drei Söhne. Da keiner vom Vater zum Alleinerben bestimmt war, pflanzten sie drei Linden an der Straße nach Norden, der heutigen Münchner Straße. Derjenige, dessen Linde am prächtigsten gedeihe, solle zum alleinigen Eigentümer bestimmt sein. Da alle drei Linden jedoch gleichermaßen mächtig wuchsen, bewirtschafteten die drei Brüder das väterliche Gut einträchtig gemeinsam, die drei mächtigen Bäume zeugten noch lange von dieser Geschichte.
Portiunkulakirche St. Franziskus
Das bedeutendste Gebäude im Ensemble ist die katholische Portiunkulakirche St. Franziskus, sie ist zugleich eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Stadt Miesbach und besonders im Winter, wenn die Bäume am Hang zur Stadt kein Laub tragen, ein wichtiger Bestandteil des historischen Stadtbildes. Die Kirche wurde im Jahr 1659 durch Max Graf Kurz auf Senftenau errichtet, auf testamentarische Verfügung durch Graf Wilhelm von Hohenwaldeck. Benannt ist sie nach der Kapelle Porziuncola in Assisi, dem Sterbeort des Hl. Franziskus. Der achteckige Bau mit zentraler Laterne und dem spitzen Ostturm ist im Inneren im Nazarenerstil ausgemalt, die Fresken erstrahlen seit 1989 in renovierter Pracht.
Das Kirchlein wurde bewusst in die Natur gesetzt, ein Kontrast zu der Stadtpfarrkirche mitten im Ort. Auch das Patronat des Franziskus deutet auf dieses Gründungskonzept hin, schließlich ging auch dieser Heilige aus Stadt und Reichtum in die einfache Natur, um dort zu Gott zu finden. Die Portiunkulakirche trug in den ersten Jahrhunderten ein große Außenkanzel, um Gottesdienste auf der Wiese abhalten zu können - ein erstaunliches und ungewöhnliches Beispiel der Verbindung von Natur und Religion. Bis heute hat sich die Einbettung der Kirche in den klösterlichen Garten erhalten - Dank wiederholter Intervention der Miesbacher Bürgerschaft!
Diente die Portiunkula in den Jahren nach dem großen Stadtbrand 1783 allen Miesbachern noch als Behelfskirche, wurde sie im Jahr 1800 bereits durch französische Truppen entweiht. Im Zuge der Säkularisation wurde sie geschlossen und als entbehrlich eingestuft. Auf Abbruch versteigert erwarben Miesbacher Bürger den Bau und übereigneten ihn im Jahr 1815 der Marktgemeinde Miesbach. Das Gebäude war allerdings nach der Profanisierung und Vernachlässigung in sehr schlechtem Zustand. Erst eine Bürgerinitiative, angeregt von Pfarrer König auf einem Kirchweihgottesdienst auf der Wiese vor der Kirche im Jahre 1861, brachte die stattliche Summe auf, um die Kirche in den heutigen Zustand zu versetzen.
Hier können sie ein Faltblatt mit Geschichte und Baubeschreibung herunterladen...
Kloster und Schule der armen Schulschwestern
Im Jahr 1865 bezogen die armen Schulschwestern das benachbarte Huberhaus und richteten ein Kloster mit Mädchenschule ein. Nach und nach wurde der aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts stammende Bau aus- und umgebaut, im Jahr 1891 entstand schließlich der charakteristische, südliche Kopfbau, der neben der Portiunkulakirche das Ensemble dominiert. In diesem Gebäude waren bis zum Jahr 2005 Klassenräume der Grundschule Miesbach untergebracht, alle gebürtigen Miesbacherinnen und Miesbacher erinnern sich seit Generationen an dieses Gebäude aus ihren ersten Schultagen. Erst durch Aufgabe der klösterlichen Niederlassung der armen Schulschwestern im Jahr 2005 stand das Gebäude und das Grundstück wieder ohne Nutzung da, es drohte aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein Miesbachs zu verschwinden. Schnell waren Pläne gefasst, das Gelände dicht zu bebauen - die Bebauung hätte sich dabei an den Trauf- und Firsthöhen des Schulhauses und der Kirche orientiert, die markante historische Gebäudegruppe wäre dabei unwiederbringlich aus dem Stadtbild verschwunden.
Bürgerstiftung Miesbach
Eine große Mehrheit der Bürger Miesbachs engagierten sich daraufhin und gründeten im Jahr 2010 die Bürgerstiftung Miesbach mit dem Zweck das Grundstück zu erwerben und die Gebäude des Ensembles einer neuen Nutzung zuzuführen, besonders stand damals bereits die Nutzung als Kinderhaus im Mittelpunkt des bürgerlichen Engagements. Wie im Jahr 1861 gelang, was zuvor als unmöglich erschienen war: Innerhalb eines Jahres war der Kaufpreis für das Grundstück, die große Wiese vor dem Schulhaus und der Kirche durch Spenden aufgebracht, die Bürgerstiftung erwarb das nun unter der Adresse Münchner Straße 5 abgetrennte Grundstück. Die Stadt Miesbach erwarb in Folge den nördlichen Grundstücksteil mit den Gebäuden von Schulhaus und Kloster und richtete im Jahr 2013 darin die Kinderkrippe "Die kleinen Klostergeister" ein. Der Miesbacher Stadtrat beschloss, im repräsentativen Gebäudeteil des ehemaligen Schulhauses mittelfristig das Miesbacher Heimatmuseum einzurichten - unterstützt durch den Museumsverein Miesbach, der unermüdlich an die großen Kunstschätze der Miesbacher Sammlungen erinnert und sich aktiv an der Planung für dieses Museum beteiligt. Im Jahr 2015 errichtete die Bürgerstiftung die einsturzgefährdete Mauer entlang der Münchner Straße neu in historischer Form.
Aktuell wird nun wieder die komplette Nutzung des Gebäudes zum Zwecke der Kinderbetreuung (Kindergarten, Kinderhort) verfolgt, das Projekt tritt in die konkrete Phase der Realisierung und soll bis Herbst 2022 bezugsfertig sein. Die Pläne orientieren sich erfreulicherweise konsequent an den Belangen des Denkmalschutzes, das einmalige Ensemble über der historischen Altstadt wird der Nachwelt erhalten bleiben und in eine lebendige Nutzung überführt. Die Bürgerstiftung Miesbach unterstützt diese Bestrebungen und wird das umliegende Gelände entsprechend einbeziehen, damit die satzungsgemäßen Zwecke erfüllt sind.
Damit schließt sich ein Kreis über die Jahrhunderte: Gleich den drei Brüdern in der eingangs erwähnten Legende arbeiten heute die Bürgerstiftung Miesbach, die Stadt Miesbach und die Pfarrei Maria Himmelfahrt gemeinsam an der Zukunft dieses Ortes.
Quelle der historischen Daten: Alexander Langheiter: 900 Jahre Miesbach, Maurus Verlag (2013)